Englisch als Vertragssprache

Beitrag von Annika Kunstmann  | Veröffentlicht am 12. April 2023  

Das Buch „Englisch als Vertragssprache“ von Dr. Volker Triebel und Prof. Stefan Vogenauer, erschienen 2018 im Verlag C. H. Beck, München, beschäftigt sich mit englischsprachigen Verträgen und der Erkenntnis, dass solche gerade bei Geltung deutschen Rechts zu mehr Missverständnissen, Fehlerquellen und Fallstricken führen können, als dies bei deutschen Vertragstexten der Fall ist.

Dieses Fachbuch richtet sich vornehmlich an deutschsprachige Juristen, um deren Bewusstsein für linguistische und juristische Sprachfallen bei der Ausarbeitung englischsprachiger Vertragstexte zu schärfen und Missverständnisse und Mehrdeutigkeiten zu vermeiden.
Englisch als Vertragssprache

Es befasst sich außerdem mit dem Einfluss des anglo-amerikanischen Rechts auf die englische Vertragssprache und bietet Juristen einen umfassenden Zugriff auf die wichtigsten Themen und Fragen. Doch auch Übersetzer/-innen von Rechtstexten können von diesem Buch profitieren, denn es eignet sich aufgrund seiner vielen Beispiele und Hintergrundinformationen sehr gut als Nachschlagewerk für missverständliche und/oder falsche Klauseln und Begriffe, die zum Teil in jedem Vertrag zu finden sind.

Das Buch enthält sieben Kapitel: Das erste Kapitel bietet eine Übersicht über die englische Sprache als Lingua franca und über die Bedeutung der Tatsache, dass rund drei Viertel aller Wirtschaftsverträge mit internationalem Bezug in englischer Sprache abgefasst sind. Es klärt über die Gründe dafür auf und auch darüber, warum deutsches Recht und deutsche Gerichtsbarkeit im internationalen Wirtschaftsverkehr eine immer geringere Rolle spielen. Das zweite Kapitel listet die häufigsten Fehlerquellen auf. Diese sind u. a. interlinguistische Interferenzfehler (wenn der deutsche Jurist die englische Vertragssprache bei der Vertragsgestaltung durch seine Muttersprache beeinflusst), semantische oder morphologisch bedingte Fehler, Wortschatzlücken, Homonyme, Polysemie, Synonyme und Metaphern. Im dritten Kapitel geht es um die Besonderheiten und Schwierigkeiten der englischen Allgemeinsprache, die Schwierigkeiten bei der Übersetzung verursachen, insbesondere scheinbar „unjuristische“ Begriffe und Formulierungen, die in der Allgemeinsprache gänzlich andere Bedeutungen aufweisen als in einem englischen Vertragstext. Als Beispiel ist das Wort fee aufgeführt, dass Gebühr oder Honorar heißen kann, im englischen Grundstücksrecht hingegen ein Eigentumsrecht bezeichnet. Das Wort nuisance ist nicht nur ein Ärgernis an sich, sondern stellt im englischen Nachbarrecht einen selbständigen Deliktstatbestand dar. Darüber hinaus werden typische Anfängerfehler aufgelistet (to affect/to effect, mutually vs. jointly, adequate vs. suitable vs. appropriate, etc.), falsche Freunde in Verträgen, semantische Fehler, Hilfsverben, Tempi und Modi, Präpositionen und Konjunktionen, Wortstellung etc. (S. 27 ff.).

Noch gravierender als die Besonderheiten der englischen Alltagssprache sind die der englischen juristischen Fachsprache, die im vierten Kapitel behandelt werden, und die zahlreichen historischen und rechtskulturellen Ursachen geschuldet sind. Wer sich immer schon gefragt hat, wie es z. B. zu den üblichen Doppelungen wie null and void, undertake and agree oder execute and perform kam oder warum Vertragsbedingungen terms and conditions heißen, der findet hier eine Antwort (S. 65 ff.). Des Weiteren werden unbestimmte englische Rechtsbegriffe tabellarisch aufgeführt, der Bedeutungsinhalt nach englischem Rechtsverständnis erklärt, und es wird, zumindest in einigen Fällen, eine deutsche Entsprechung vorgeschlagen (hier Teilapproximation genannt). Ebenfalls in Kapitel 4 aufgeführt und für den/die Rechtsübersetzer/-in nicht minder interessant ist ein Hinweis zum Vertragsstil, der sich als Folge der zuvor dargelegten Besonderheiten und Schwierigkeiten ergibt, denn dieser zielt eben nicht auf Kürze und Eleganz ab, sondern auf enzyklopädische Vollständigkeit und technische Präzision (S. 72).

Erheiternd ist ein in diesem Zusammenhang aufgeführtes Zitat eines englischen Barristers: Instead of saying “I give you an orange” ... the phrase would run like this: “I give you all and singular, my estate and interest, right, title, claim and advantage of and in that orange, with all its rind, skin, juice, pulp and pips, and all right and advantage therein, with full power to bite, cut, suck and otherwise eat the same …” with much more to the same effect. Such is the language of lawyers; and it is very gravely held by the most learned among them, that by omission of any of the words the right to the said orange would not pass to the person for whose use the same was intended. (S. 73) Im Weiteren wird auf die verschiedenen rechtlichen Kategorien wie common law und equity eingegangen sowie auf die englische Rechtssprache außerhalb Englands. Ebenfalls für Übersetzer äußerst interessant ist das Kapitel 4.4.4. zu den Schwierigkeiten bei der Übersetzung deutscher Rechtsbegriffe, da deutschsprachige Juristen, die einen englischsprachigen Vertragstext erstellen, häufig von deutschen Rechtsbegriffen ausgehen, die sie ins Englische übertragen wollen. Einige sind auch hier tabellarisch dargestellt.

Kapitel 5 widmet sich den Besonderheiten und Schwierigkeiten bei der Übersetzung englischer Vertragsbegriffe. Es werden einige spezifische englische Rechtsbegriffe, die sich typischerweise in englischsprachigen Verträgen finden (deeds, recitals, condition, deadfreight etc.), genauer analysiert und auf ihre Übersetzbarkeit hin überprüft, wobei die Übersetzbarkeit in diesen Fällen eine Frage der Genauigkeit ist. Dieses Kapitel ist für Sprachmittler das interessanteste, denn es werden einige Überlegungen und Ansätze zur Übersetzbarkeit von Rechtstexten aufgeführt, von denen die meisten vermutlich auch im Studium nur am Rande erwähnt wurden.

Am Ende des 5. Kapitels werden zudem einige Empfehlungen zu ein- und zweisprachigen Wörterbüchern aufgeführt, und es wird erklärt, wie der/die Übersetzer/-in am besten vorgehen sollte/n, um die bestmögliche Entsprechung zu finden.

Kapitel 6 und 7 widmen sich der Vertragsauslegung, der Rechtswirksamkeit fremdsprachlicher Klauseln bei Geltung deutschen Rechts und der Kongruenz bzw. Inkongruenz. So ist es nach Auffassung der Autoren „in grenzüberschreitenden Verträgen unmöglich, eine vollständige Kongruenz von Vertragssprache, Verfahrenssprache, anwendbarem Recht sowie Sprachkompetenz und juristischer Fachkompetenz der Beteiligten zu erreichen“ (S. 150). Die Autoren geben aber auch hierfür zahlreiche Empfehlungen, wie solche Inkongruenzen vermieden werden können. Die Juristen werden aufgefordert, archaische Wörter wie herein, hereinafter, hereunto etc. zu vermeiden und sich stattdessen am „plain English“ zu orientieren. Für by reason of the matters aforesaid könnte auch schlicht consequently geschrieben werden, für in the event that genügt das Wort if. Weitere praktische Lösungen bei der Übertragung des Bedeutungsinhalts eines deutschen Rechtsbegriffs in die englische Vertragssprache sind beispielsweise Lehnübersetzungen oder die Möglichkeit, das deutsche Wort in Klammern zu setzen (oder eleganter: die deutschen Begriffe in einer Anlage dem Vertrag beizufügen). Welche Option letztlich gewählt wird, sollte klug überlegt werden.

Fazit: Wer auf dem Gebiet des juristischen Übersetzens hinzulernen möchte, sollte sich dieses 216 Seiten starke Buch ernsthaft zu Gemüte führen. Es vermittelt nicht nur ein umfassendes Grundwissen, sondern es werden auch viele Übersetzungsvorschläge für englische Begriffe genannt, teils in tabellarischer Form, und auch das Sachregister ist zum Nachschlagen sehr nützlich. Zudem ist es - für ein juristisches Sachbuch - sehr angenehm geschrieben und auch für weniger versierte Leser gut zu verstehen. Zudem kostet es nur 49 Euro. Von mir gibt es eine klare Kaufempfehlung.

Triebel, Volker und Vogenauer, Stefan: Englisch als Vertragssprache
Verlag C. H. Beck,
216 Seiten, ISBN: 978-3-406-64165-7

Über die Autorin

Annika Kunstmann

Annika Kunstmann

Über die Autorin

Annika Kunstmann

Es ist diese schöne Mischung aus Handwerk, Geschicklichkeit und Kreativität, die Annika am Beruf der Übersetzerin so sehr reizt. Die Kenntnisse über grundlegende Übersetzungstheorien, wie sie in Germersheim vermittelt wurden, sind Gold wert, wenn es um Rechtsübersetzungen geht. Bei Transkreations-Aufträgen jedoch braucht es manchmal eher einen mittäglichen Spaziergang im Wald, der dann zur zündenden Idee für eine idiomatische Übersetzungslösung führt. In diesem Beruf gleicht kein Tag dem anderen, und auch die Firmen und Produkte, für die man übersetzt, sind jeden Tag andere, und so wird es einfach niemals langweilig.
Nebenbei engagiert sich Annika Kunstmann als Pressereferentin für den ADÜ Nord und war jahrelang leitende Redakteurin des Infoblatts.

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